(Virtuelle) Blickverhältnisse Eine Schaukel schwingt auf einer Veranda leise vor sich hin. Im Hintergrund das Meer, das durch die leichte Bildbewegung immer wieder schmal ins Bild rutscht ("Veranda", 1999). In einer Endlosschleife schauen wir diesem (Nicht-) Ereignis an seinem (Nicht-) Schauplatz zu. Die gesamte Umgebung ist offensichtlich artifiziell, eine Software-Konstruktion. Dadurch, dass uns Klaus Schuster die Künstlichkeit der Szene unmittelbar vor Augen führt, sie als eine Konstruktion offenlegt, erwarten und suchen wir in der großformatigen Videoprojektion nach Überraschungen, Eingriffen, nach Injektionen von Kontingenz, die die mimetische "Natürlichkeit" unterwandern. Weshalb sonst gäbe es einen Grund, eine Veranda samt Schaukel im Computer nachzubauen und in eine (eintönige) Bewegung zu versetzen? Allein - es geschieht nichts, weshalb man als BetrachterIn beginnt, Variationen, Abweichungen in die Szene zu projizieren und sich damit mitten im "Spiel" medialer Oberflächen befindet. In der zweiteiligen Videoinstallation "Space to Space" (1997) sehen wir parallel zwei Filmszenen (amerikansicher Familienalltag der späten 50er Jahren), die vorwärts und rückwärts laufen und sich in ein paar Frames überschneiden, wodurch eine räumliche Bewegung erzeugt wird, die sich aus der videotechnischen Bearbeitung ergibt. Die Loops wiederholen sich auch hier und erzeugen erneut einen repetitiven und suggestiven Bildraum, dessen Künstlichkeit jetzt allerdings auf der Montage von Bild- und Tonspuren beruht. In beiden Bildern erscheint großformatig die "Libelle" (quasi das "Auge") einer Wasserwaage dem Bild vorgeblendet - die Luftblase bewegt sich analog zu den bildimmanenten Handlungsrichtungen hin und her. In "And I Was Looking for You" (1997) erscheint die "Libelle" der Wasserwaage schliesslich der Pupille eines sich ständig hin und her bewegenden Auges überblendet. Die Luftblase wandert entsprechend der Augenbewegung ebenfalls hin und her. Klaus Schuster inszeniert offensichtlich (verschiedene) "Bildangebote", verschiedenartige Bild- und Medienformationen unterschiedlicher Quellen und deren Dramaturgien im Hinblick auf deren Wahrnehmung. Es scheint jeweils um die modellartige Konfrontation von Blicken zu gehen: der Blick der BetrachterInnen, wie dieser quasi vom Blick der Medien berachtet, gespiegelt, absorbiert, irregeleitet oder zurückgeworfen wird. "Das Virtuelle", schreibt Philippe Queau, "ist essentiell beweglich, metaphorisch, metamorphotisch. Das Virtuelle verknüpft das Bild und den Körper, die Geste und das Visuelle, die Bewegung und das Gedächtnis auf eine neue Weise." Nehmen wir die Konnotationen der Wasserwaage in Richtung Vermessung von Oberflächen und Räumen auf, erscheinen die Videoarbeiten und Videoinstallationen von Klaus Schuster als "Vermessung" (mapping) medialer Oberflächen und Räume, als ein visuelles Bezugssystem für Bilder und Körper, für Gesten (der Dinge und der Körper) und Bewegungen. Letztendlich führt uns Klaus Schuster damit Bezeichnungspraxen vor Augen, die zu (gar nicht so) neuen Kulturtechniken mutiert sind: bei den Technologien des Bildes handelt es sich immer mehr um Technologien der Konstruktion und Beschreibung kultureller Formationen selbst. Über diese Zusammenhänge zu sinnieren geben die Arbeiten von Klaus Schuster breiten Raum - oder wie sonst sollte man das erstaunte Aufeinandertreffen eines Crash Test Dummies und einer Schauspielerin wie in "Pose to Pose" (1997) deuten?
Reinhard Braun AUGE:EXPERIMENT, Ausstellungskatalog, Kärntner Landesgalerie 2000 |